„Blau mit ganz viel Glitzer” - von verrückten Eltern, die ihre Kinder transgendern, und ihren Helfern
Im Berliner Querverlag ist vergangenen Monat ein neues biografisches
Buch erschienen: „Blau mit ganz viel
Glitzer
”. Eine Mutter, Maria
Vöckler1, berichtet darin über ihr „Leben mit [ihrem] trans
Kind”. Sie will Verständnis vermitteln, was es heißt, ein solches Kind
zu haben, und anderen betroffenen Eltern Mut machen, ähnlich damit
umzugehen wie sie. Dem kritischeren Leser gibt sie so einen
aufschlussreichen Einblick in die skandalöse Welt von Eltern, die ihre
Kinder transgendern und chemisch kastrieren, von Aktivisten, die sie
dazu ermuntern, und von professionellen Helfern in Psychotherapie,
Psychiatrie und Endokrinologie, die den Wahn unterstützen und
Gutachten erstellen, die Skeptiker in Jugendämtern und Schulen zum
Einlenken bringen sollen.
Wie sehr sich Kritiker des „Transkinder”-Trends durch ihre Schilderungen bestätigt fühlen werden, scheint sie nicht zu ahnen. Denn in einem Punkt weicht Maria Vöckler vom gängigen Klischee der „stolzen Mutter eines Transkindes” ab: Sie ist keine Mittelschichtfrau, die sich insgeheim nichts Sehnlicheres wünschte als ein wokes Analogon zum Indigo-Kind. Nein, sie kommt von ganz unten. Als Kind musste sie miterleben, wie ihre Eltern dem Alkohol verfielen. Sehr früh war sie auf sich gestellt, floh mit 15 zu einem weit entfernt lebenden Freund, den sie übers Internet kennenlernte -- ihrem späteren Mann. Dem, was sie erwartete, war sie weder emotional noch intellektuell gewachsen. Nicht vertraut mit den Debatten zum Thema, weiß sie auch nicht, wie sie alles hätte „framen” müssen, um die Gemüter zu beruhigen. Ihre Co-Autorin, die Journalistin Sara Schurmann2, greift ihr dabei auch nicht unter die Arme. Die hilft ihr nur, ihre Gedanken zu sortieren, und bringt es in Buchform.
Schon Vöcklers erstgeborener Sohn Finn bereitet ihr Probleme: Ein Frühchen, er leidet unter frühkindlichem Autismus, ADHS und Asthma, später wird er wegen Konflikten die Grundschule wechseln müssen. Fast fünf Jahre später folgt ein weiterer Sohn, Luis, ebenfalls ein Frühchen3, der ihr noch mehr Probleme bereitet: Er weint viel, ist ganz in sich gekehrt, isst viel zu wenig. Er schafft es nicht, Gefühle auszudrücken. Einmal bricht er sich den Fuß, ohne dass die Erzieher es anhand seiner Reaktion bemerken. Erst die Mutter merkt später, dass etwas nicht stimmt. Schon sehr früh sucht sie verschiedene Fachleute auf, um ihm zu helfen. Ein Psychiater diagnostiziert bei ihm Autismus und selektiven Mutismus, er besucht daraufhin einmal die Woche ein Autismus-Zentrum. Wegen Sprachentwicklungsstörungen muss er zum Logopäden, außerdem geht er regelmäßig zur Reit- und zur Ergotherapie. Später wird ihm im Kindergarten noch eine Integrationskraft zur Seite gestellt werden.
Die Mutter entdeckt das Trans-Thema
Je älter Luis wird, desto offensichtlicher wird, dass er noch in anderer Hinsicht anders ist. Als er gerade 4 geworden war, kauft ihm die Mutter zum Karneval ein Feuerwehrmann-Kostüm. Er protestiert, er will sich als Eiskönigin Elsa, die er über alles verehrt und für real hält, verkleiden. Die Mutter gibt nach anfänglichem Zögern nach. Sein Wunsch, nach dem Karneval weiter „Tleider” anziehen oder ein „Mädsen sein” zu dürfen, wird als unbedeutend angesehen und ignoriert. Das ändert sich an Weihnachten. Im Kindergarten wird die Frage gestellt, was sich die Kinder zu Weihnachten wünschen. Luis verkündet laut vor den anderen Kindern, sich eine Scheide zu wünschen. Die verstörten Erzieher informieren die Mutter. Diese beginnt daraufhin im Internet zu recherchieren. Sie stößt dort auf den Verein „Trakine” („Trans-Kinder-Netz e.V.”). Sie schreibt ihnen eine E-Mail und wird prompt zurückgerufen. Zwei Stunden lang telefoniert sie mit der Mutter eines anderen „Transkindes”. Welche Qualifikation diese hat, erfahren wir nicht. Aber die erzählt ihr im Laufe des Gesprächs, dass Äußerungen wie die von Luis ernst zu nehmen seien. Nach dem Telefonat wird sie Mitglied einer Facebook-Gruppe anderer Eltern von „Transkindern”, liest sich dort ein. Sie ist nun überzeugt, endlich den Grund gefunden zu haben, warum Luis so viele Probleme hat: Er ist ein „Transmädchen”. Auch ihren zunächst skeptischen Mann kann sie davon überzeugen.
Luis schwärmte im Kindergartenalter für die Eiskönigin Elsa mit ihrem blauen Kleid. So kamen die Autoren auf den Buchtitel, der mit der Rosa-Blau-Symbolik spielt.
Soweit ihren Schilderungen zu trauen ist, ist Luis tatsächlich vergleichbar mit anderen „Transmädchen”: Die Obsession für eine weibliche Superheldin wie die Eiskönigin Elsa, den Drang, sich hübsche Kleider anzuziehen, die Bevorzugung von weiblichen Spielkameraden, der Wunsch nach einer Scheide, komorbide andere psychische Störungen -- das ist alles nur allzu typisch. Doch Eigendiagnosen, gar von dubiosen Aktivisten befördert, sind stets fragwürdig. Gerade angesichts seines Alters wäre Vorsicht geboten gewesen. Kinder sind in diesem Alter noch nicht sonderlich schlau. Sie glauben häufig, Menschen würden ihr Geschlecht wechseln, wenn sie andere Kleider anziehen:
Auch haben sie sehr rigide Vorstellungen dessen, was einen Mann und was eine Frau ausmacht:
Auch Luis denkt noch Monate später ganz in derartigen Kategorien. „Jungs mag ich nicht, denn Jungs haben kurze Haare”, lispelt er in eine Fernsehkamera. Für ihn ist es ganz einfach: Mädchen haben schöne Kleider und Haare, Jungen nicht. Er will sein wie Elsa, nicht wie Snake Eyes aus „G.I. Joe”. Männer wie Conchita Wurst, die auch schöne Kleider anziehen und lange Haare haben, gibt es in seiner Welt nicht. Man muss also mit derartigen Aussagen von nicht mal 5-Jährigen vorsichtig sein, muss ihnen die Realität erklären und sie dabei unterstützen, allzu rigide Vorstellungen über die Unterschiede der Geschlechter abzulegen. Notfalls kann man sie therapeutisch dabei unterstützten. Selbst bei weitgehender Untätigkeit würden derartige Verwirrungen meist verschwinden, sobald sie älter und intelligenter werden. Frau Vöckler aber unternimmt nicht mal den Versuch, ihrem Sohn alternative Interpretationen seines Anders-Sein zu vermitteln, sondern legt sich ganz auf das Trans-Narrativ fest, bestärkt Luis systematisch in seinem magischen Denken -- irgendwelche Menschen, auf die sie im Internet stieß, haben ihr das schließlich so gesagt.
Die soziale Transition in Eigenregie beginnt
In einem ersten Schritt kauft sie ihm Mädchenkleider. Höhepunkt für Luis in dieser Phase ist die Feier zu seinem 5. Geburtstag, mit einer Elsa-Schauspielerin und ihm im Elsa-Kleid. Zum Sechsten würde Bibi Blocksberg kommen und ihm eine Scheide hexen, ist er überzeugt.
Den gemeinsamen Aufenthalt von ihr und Luis in einer Spezialklinik für frühkindliche Essstörungen nimmt sie wenige Wochen später zum Anlass, ihn vollständig sozial zu transitionieren. Luis ist nicht länger ein Junge im Kleid, sondern ein Mädchen namens Luisa -- auch wenn er lieber Elsa geheißen hätte. Sie beginnt einen Blog zu führen, in dem sie den Weg von Luis zu „Luisa” dokumentiert. Den Trans-Status des Sohnes nutzt sie zunehmend, um Aufmerksamkeit und Bestätigung zu suchen. Einmal erzählt sie gar anlasslos einem wildfremden Menschen die Geschichte von ihrem „Transkind”. Die Psychologen der Klinik sind über die Entwicklung entsetzt, auf der Anmeldung wurde er ja noch als Junge geführt. Sie bitten die Mutter darum, eine Kinder- und Jugendpsychiatrie aufzusuchen. Die Mitarbeiter der Klinik haben regelmäßig Kontakt mit problematischen Müttern, haben ein feines Gespür entwickelt, wenn etwas falsch läuft. Sie hoffen wohl, dass Fachleute eine angemessene Diagnose stellen können, bevor die Mutter ihren Sohn weiter darin bestärkt, ein Mädchen zu sein. Aber Frau Vöckler interpretiert das Beiseite-Wischen der Trans-Diagnose als Indiz dafür, dass die keine Ahnung haben, fühlt sich persönlich angegriffen und ist froh, als sie mit ihrem Sohn wieder abreißen kann.
Wieder zu Hause, beschließt sie, auch in Luis' Kindergarten seinen neuen Namen einzuführen. Sie schreibt dazu einen langen Brief an die anderen Eltern des Kindergartens, lässt sich dabei inspirieren von der Internetseite der dgti („Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität”). Die Erzieher stimmen diesem Schritt zunächst scheinbar genauso zu wie zuvor der neuen Kleiderwahl. Doch schon bald kommt es zur Kehrtwendung: „Luisa” wird dort wieder Luis, das Jugendamt wird informiert. Kindeswohlgefährdung lautet der Vorwurf. Die Mutter bekommt Panik, steigert sich immer weiter in die Angst rein, man könne ihr die Kinder wegnehmen. Wieder wendet sie sich an das Internet. Eine andere Frau, die bei Trakine und der dgti aktiv ist und ein Pflegekind hat, das angeblich trans ist, kommt sie zur Lagebesprechung besuchen und begleitet sie wenig später zum anberaumten Gespräch beim Jugendamt, bei der auch Luis' Erzieher teilnehmen.
Das Gespräch dort eskaliert. Die Frau von Trakine spielt sich als Expertin zum Thema auf: „Was viele nicht wissen, ist, dass es nicht unüblich ist, dass Kinder schon so früh ein Bewusstsein für ihr Geschlecht entwickeln. Wenn ein Kind sagt, dass es sich nicht seinem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht zugehörig fühlt, Luis sich also als Luisa fühlt, sollte es das ausleben dürfen. Alles andere würde das Kind psychisch stark belasten ... Kinder, die so früh das Thema ansprechen, sind meistens in ihrer Transidentität extrem gefestigt.” Die Jugendamtsleiterin dagegen liest die lange List der Diagnosen vor, die die Mutter bei diversen Ärzten und Psychiater für Luis eingesammelt hat, und unterstellt ihr ein Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom -- eine Diagnose, die bestens zu ihrem Drang nach Aufmerksamkeit passen würde. Man vereinbart letztlich einen Hausbesuch bei Vöcklers, um sich vor Ort ein Bild zu machen.
Da Luis' Erzieher nicht länger mitspielen, sucht Frau Vöckler einfach einen neuen Kindergarten für ihn, in dem er ein Mädchen sein darf. Bei anderen Konflikten wird sie sich ähnlich verhalten: Als sie in der Tanzschule einen immer skeptischeren Blick auf die Sache entwickeln, meldet sie in dort ab und in einer anderen Tanzschule an, in der keiner weiß, dass er ein Junge ist. Die Grundschule, auf die er ursprünglich gehen sollte, ist auch wenig erfreut -- dann geht er eben in eine andere. Der Kontakt zur früher geliebten Patentante, die Luis' Transgenderung nicht unterstützt, wird ebenfalls abgebrochen. Später ziehen sie auch noch um. Keiner in Luis' Umfeld soll wissen, dass er ein Junge ist, und die, die es wissen müssen, wie etwa Lehrer, werden aktiver Teil des für ihn inszenierten Schauspiels.
Psychotherapeuten und Ärzte als Helfer im Kampf gegen das Jugendamt
Frau Vöckler hatte zwischenzeitlich einen Termin bei der Kinder-Psychotherapeutin Judith Lichtenberg vereinbart. Der Kontakt wurde auch hier vermutlich über die Facebook-Gruppe vermittelt. Denn obwohl es bei ihnen vor Ort mehr als genug andere Kinder-Psychotherapeuten gegeben hätte, nehmen Sie einen Anfahrtsweg von deutlich über einer Stunde in Kauf. Frau Lichtenberg ist in der Szene bekannt, sie wird in speziellen Listen für Eltern geführt, die ihr „Transkind” chemisch kastrieren wollen und dafür ein entsprechendes Schreiben für behandelnde Ärzte benötigen4. Viele ihrer Kollegen lehnen das ab oder gehen zurückhaltender vor. Frau Lichtenberg hat auch das Nachwort des Buches verfasst. Darin berichtet sie, wie die Zahl der Neuanmeldungen in ihrer „kleinen” Praxis in den letzten Jahren stetig zunahm. „Jede Woche (!) kommen vier bis sechs Neuanmeldungen hinzu!”. Das Geschäft mit „Transkindern” boomt.
Familie Vöckler schüttet bei dem Termin ihr Herz aus, erzählt über Luis und den Streit mit dem Jugendamt. Frau Lichtenberg beruhigt sie: „Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, ganz im Gegenteil. Um sich psychologisch gesund entwickeln zu können, ist es für Kinder wichtig, dass sie von ihrem Umfeld so wahrgenommen werden, wie sie sich selber erleben. Und wenn sich Ihr Kind nicht als Luis, sondern als Luisa wahrnimmt, sollte das gesamte Umfeld diese Tatsache respektieren und wertschätzen.”
So wie Frau Vöckler das Gespräch schildert, ist die Rolle der Psychologin wohl primär, mit ihren Worten die emotional aufgewühlte Mutter zu beruhigen. Kein ernsthaft kritisches Wort scheint gefallen zu sein5. Frau Lichtenberg erklärt ihnen, dass eine Psychotherapie nicht nötig sei, solange Luis glücklich als „Mädchen” ist. Stattdessen stellt sie ihnen ein Schreiben aus, das sie beim Jugendamt zu ihrer Verteidigung vorzeigen können. Zudem werden sie an ein Hormonzentrum überwiesen, das abklären soll, ob nicht eine Störung der Geschlechtsentwicklung vorliegt. Die Familie bleibt weiter mit ihr in Kontakt, schauen in großen Abständen bei ihr vorbei. Sie wird ihnen immer wieder behilflich sein, etwa um später die Schule für die erhoffte Behandlung von Luis als Mädchen gewinnen zu können.
Ein Termin bei einer Transgender-Sprechstunde läuft nach dem gleichen Schema ab. Die gesamte Familie Vöckler fährt hin, Frau Vöckler schüttet den Tränen nahe ihr Herz aus, um sich bestätigen zu lassen, im Großen und Ganzen alles richtig gemacht zu haben.
Während Eltern früher mit ihren verstörten Kindern zu „Spezialisten” gingen, um eine angemessene Diagnose erstellen zu lassen und das weitere Vorgehen zu beraten, werden diese heute vor vollendete Tatsachen gestellt. Frau Vöckler hat sich bereits zuvor jede Menge Halbwissen angelesen und darüber hinaus Aktivisten getroffen, die ihr vermittelt haben, wie sie ihre Erfahrungen zu interpretieren hat. Luis wurde bereits transgendert und über Monate in seinem „Mädchen-Sein” von der Mutter bestätigt. Sie brachte ihm auch bei, wie er sich bei Konfrontationen mit der Realität zu verhalten hat, etwa wenn sein Bruder, der von dem allem weniger begeistert war, ihn mal wieder „misgenderte” -- „deadnaming” im Kinderzimmer. Zudem werden die Spezialisten per Therapeuten-Shopping übers Internet so ausgewählt, dass die Eltern ohnehin davon ausgehen können, dass sie mitziehen. Ihre Rolle beschränkt sich mehr oder weniger darauf, alles nachträglich abzunicken, emotionalen Beistand zu leisten, und bei Angelegenheiten zu helfen, bei denen die Eltern alleine nicht weiterkommen: Druck durch das Jugendamt, Indikationsschreiben, Streit mit der Schule, usw.
Das Streben der Mutter nach Aufmerksamkeit hat unterdessen unerwartet großen Erfolg: Erst kommt ein Schweizer Fernsehteam, um die Familie für eine Dokumentation über „Transkinder” zu interviewen, ein paar Monate später dann, Luis ist mittlerweile in der Schule, wird sie Talkgast des „Kölner-Treffs” . Sie darf dort stolz von ihrem „Transkind” berichten, sich dafür beklatschen lassen, und Medienstars wie Eckart von Hirschhausen und Karl Dall hautnah erleben.
Das Jugendamt ist von ihren Aktivitäten in der Öffentlichkeit nicht begeistert, aber dank der ganzen Schreiben hat sie wenig zu befürchten. Immerhin dürfte es damit erreicht haben, dass sie nicht länger unter realem Namen auftritt und den Namen von Luis fortan besser anonymisiert.
Soziale Transition im Kindesalter als Wegbereiter für die chemische Kastration in der Pubertät
Die Familie hatte auch noch einen Psychiater aufgesucht. Der Leser erfährt weder dessen Namen noch Details von dem Treffen. Jedoch wird aus dessen Gutachten zitiert, das sie ebenfalls für ihren Kampf gegen das Jugendamt nutzen: „Dass sich transsexuelle Entwicklungen durch ein zu frühzeitiges Eingehen auf die von den Kindern geäußerte innere Geschlechtsrollenzuschreibung fixieren ließen, entspricht einer laienhaften Vorstellung und ist aus psychiatrischer / psychotherapeutischer Sicht nicht zu bestätigen.”
Eine „laienhafte Vorstellung”? Was sagt ein Blick in die Literatur wirklich? Im Bereich der Behandlung geschlechtsdysphorischer Kinder gibt es zwei Pioniere des Fachs, die die Forschung zentral geprägt haben: Zum einen das „Centre for Addiction and Mental Health” (CAMH) in Toronto (Kenneth Zucker, Susan Bradley, ...), zum anderen deren niederländische Kollegen des „Vrije Universiteit Medical Center”.
Die Holländer berichten , dass von 56 geschlechtsdysphorischen Jungen, die nicht als Kinder sozial transitioniert wurden, nur zwei später medizinisch transitionierten, der Rest schaffte es, sich mit der Realität zu arrangieren. Von den 23 Jungen dagegen, die im Kindesalter transitioniert wurden, wurde mehr als die Hälfte später auch chemisch kastriert. Das spricht nicht gerade für eine soziale Transition, auch wenn solche Zahlen natürlich mit Vorsicht zu interpretieren sind. Die Entscheidung, ob ein Junge sozial transitioniert wurde oder nicht, hängt natürlich auch von ihm selbst, der Stärke seines Beharrens darauf, ein Mädchen zu sein, und weiteren Faktoren ab -- nicht nur von den Überzeugungen seiner Eltern. Aber das niederländische Team geht davon aus, dass eine soziale Transition dazu beiträgt, dass ein Arrangieren mit der Realität unwahrscheinlicher wird :
Da die meisten geschlechtsdysphorischen Kinder nicht bis zur Adoleszenz geschlechtsdysphorisch bleiben (Wallien & Cohen-Kettenis, 2008), empfehlen wir, dass kleine Kinder vor dem frühen Stadium der Pubertät noch keine vollständige soziale Transition vollziehen (andere Kleidung, ein anderer Vorname, einen Jungen mit „sie” statt mit „er” ansprechen). Mit dieser Empfehlung wollen wir verhindern, dass Jugendliche mit nicht persistierender Geschlechtsdysphorie einen komplexen Wechsel zurück in die Rolle ihres Geburtsgeschlechts vollziehen müssen (Steensma & Cohen-Kettenis, 2011). In einer qualitativen Folgestudie gaben mehrere Jugendliche an, wie schwierig es für sie war, zu erkennen, dass sie nicht länger in der Rolle des anderen Geschlechts leben wollten und dies den Menschen in ihrem Umfeld klar zu machen (Steensma, Biemond, et al., 2011). Diese Kinder haben sich nicht einmal offiziell umgewandelt, sondern wurden von ihrem Umfeld einfach als dem anderen (nicht-natalen) Geschlecht zugehörig betrachtet. Man kann sich fragen, wie schwierig es für Kinder ist, die bereits seit Jahren in einer Umgebung leben, in der niemand (außer der Familie) das Geburtsgeschlecht des Kindes kennt, einen Wechsel zurück vorzunehmen. Ein weiterer Grund, warum wir von einer frühen Transition abraten, ist die Tatsache, dass einige Kinder, die eine solche Umwandlung bereits vollzogen haben (manchmal schon im Vorschulalter), kaum merken, dass sie das andere Geburtsgeschlecht haben. Sie entwickeln einen Realitätssinn, der sich so sehr von ihrer körperlichen Realität unterscheidet, dass die Akzeptanz der zahlreichen und langwierigen Behandlungen, die sie später benötigen werden, unnötig erschwert wird. Auch die Eltern, die dies mitmachen, sind sich oft nicht bewusst, dass sie dazu beitragen, dass ihr Kind sich dieser Konsequenzen nicht bewusst ist.
Selbst die Forscher, die das Protokoll zur Kastration geschlechtsdysphorischer Kinder einführten, das später von ihren Kollegen im Ausland immer verantwortungsloser ausgeweitet wurde, halten also die Transgenderung von Kindern, die so jung sind, wie Luis es damals war, für keine gute Idee.
Ihr kanadischer Kollege Kenneth Zucker, der bald 50 Jahre mit solchen Kindern arbeitet, ist in seinem Urteil noch etwas deutlicher :
Eine soziale Transition bei Kindern in der Vorpubertät ist eine Form der psychosozialen Behandlung, die darauf abzielt, die Geschlechtsdysphorie zu verringern, jedoch mit der wahrscheinlichen Konsequenz, dass auch spätere (lebenslange) medizinische Behandlungen (geschlechtsaffirmierende Hormonbehandlungen und Operationen) durchgeführt werden. Die soziale Transition von Kindern in der Vorpubertät wird die Persistenzrate der Geschlechtsdysphorie im Vergleich zu Folgestudien mit Kindern mit Geschlechtsdysphorie, die diese Art von psychosozialer Intervention nicht erhalten haben, drastisch erhöhen und könnte merkwürdigerweise als iatrogen bezeichnet werden.
Sogar Mitarbeiter der Tavistock-Klinik, die für ihren transideologischen, sorglosen Umgang mit dem Thema berüchtigt ist (siehe den etwa Fall Keira Bell ), hegen „laienhafte Vorstellungen” :
„Wir haben nie eine vollständige soziale Transition empfohlen, aber sie ist sehr populär geworden und wird von vielen Interessengruppen gefördert.”
„Wir sind der Meinung, dass das, was bei jüngeren > Kindern zur Verringerung der Ängste beiträgt, zu einem Problem > werden kann, wenn sie älter werden.”
„Es kann für Kinder > schwieriger werden, wenn sie in die Pubertät kommen, und der junge Mensch steht plötzlich vor der Mauer der Pubertät.”
„Wir denken, > dass damit Probleme für später geschaffen werden.”
Während man also in der Fachwelt häufig anderer Meinung ist, ist die Mutter von lauter Aktivisten, Psychiatern und Psychotherapeuten umgeben, die ihr das Gegenteil erzählen oder sie gar drängten, Luis zu transgendern. Keiner hatte den Mut, ihr zu sagen, dass es guten Grund zu der Annahme gibt, dass sie durch ihr Verhalten die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass ihr Sohn dauerhaft geschlechtsdysphorisch bleibt und sich deswegen später fragwürdigen medizinischen Behandlungen unterziehen lässt.
Pubertätsblocker sollen die Illusion aufrecht halten
In der Kindheit klappt das mit der Transgenderung noch ganz gut. Gibt man einem Jungen eine neue Frisur und neue Kleider, wird er für ein Mädchen gehalten. Niemand merkt etwas. Luis ist mit seiner neuen Rolle als Mädchen glücklich, doch ein Blick zwischen seine Beine offenbart ihm, dass etwas nicht stimmt. Er ist „unsicher und beschämt”. Mit der Pubertät drohen seiner ihm lange eingeredeten Identität als „Luisa” und seiner Position als „Mädchen” im sozialen Umfeld eine noch grundlegendere Gefahr. Die soziale Transition ist eine Intervention mit Ablaufdatum.
Luis besucht deshalb regelmäßig ein Hormonzentrum in Dortmund6, das seine Entwicklung überwacht. Er wünscht sich eine Behandlung mit Pubertätsblockern7. Sobald er das Tanner-Stadium II erreicht hat, könnte mit der Blockade begonnen werden. Die Blocker sind der erste Schritt in die vollständige chemische Kastration. Nahezu alle „Transkinder”, die sie nehmen, setzen die Behandlung mit der Einnahme von gegengeschlechtlichen Hormonen fort. Die gleichen Blocker werden in manchen Ländern dafür genutzt , gefährliche Sexualstraftäter, etwa Pädophile, chemisch zu kastrieren -- aber selbst da nur für Täter mit dem höchsten Rückfallrisiko. Die Nebenwirkungen werden als zu schwerwiegend angesehen. Bei geschlechtsdysphorischen Kindern hat man weniger Bedenken zu einer solchen Behandlung als bei gewöhnlichen Sexualstraftätern. Der in Millionen Jahre der Evolution entstandene Mechanismus Pubertät, den wir noch immer nicht in allen Details verstehen, wird erst partiell gestoppt, dann durch Verabreichung gegengeschlechtlicher Hormone durcheinandergebracht. Die Entwicklung des Gehirns wird negativ beeinträchtigt: Die Betroffenen erreichen nicht ihr volles kognitives Potenzial, sie sind emotional instabiler8. Zu den weiteren bekannten Folgen9 gehört ein gehemmtes Knochenwachstum, sie werden anfälliger für Osteoporose. Und natürlich werden sie unfruchtbar, ihre sexuelle Empfindungsfähigkeit wird negativ beeinflusst. Anorgasmie ist verbreitet. Lebenslang werden sie medizinische Patienten bleiben, angewiesen auf externe Hormone.
Kindern im Alter von 9 bis 13 Jahren wird eine Entscheidung über ihre Fortpflanzungsfähigkeit zugemutet. Wer ein gewisses Alter erreicht hat, kennt etliche Frauen, die in ihren Zwanzigern angaben, keine Kinder zu wollen und lieber Partys feierten, reisten und Karriere machten, um dann gegen Ende 30 depressiv Fruchtbarkeitskliniken aufzusuchen. Selbst Erwachsene sind oft nicht in der Lage zu beurteilen, was hier in ihrem langfristigen Interesse ist. Aber „Transkinder” sollen sich ein Urteil bilden. Sie hatten noch kein Sexleben, viele nicht einmal einen nennenswerten Orgasmus durch Masturbation, sollen sich aber damit auseinandersetzen, welche Rolle Sexualität später in ihrem Leben spielen soll. Sie müssen lauter Entscheidungen zu Angelegenheiten treffen, die sehr wenig mit ihrem kindlichen Erleben zu tun haben und sie hoffnungslos überfordern.
Deutlich weniger überfordernd wäre es gewesen, wenn sich etwa Luis schrittweise und altersgerecht mit der Frage auseinandergesetzt hätte, was es heißt, ein etwas ungewöhnlicher Junge zu sein, der mit seiner effeminierten, leicht autistischen Art häufig auf Unverständnis oder gar Spott stößt. Das hat mehr Anknüpfungspunkte an das kindliche Erleben, das lässt sich besser pädagogisch aufbereiten. Aber das war angeblich so unzumutbar, dass man lieber seine kognitive Fehlleistung oder -- je nach Alter -- seine als Abwehrmechanismus dienende Selbstverklärung zur Wahrheit erklärte, und um ihm herum mühsam eine Fantasiewelt errichtete, in der ein Mädchen ist, die aber in der Pubertät endgültig zerbrechen wird.
Ausblick
Ein großer Verdienst des Buches ist, dass es die Gefährlichkeit von Vereinen wie Trakine oder der dgti in aller Deutlichkeit offenlegt. Zu den Aktivisten aus deren Umfeld, die verzweifelte, leichtgläubige Mütter unter ihre Fittiche nehmen und zu destruktiven Handlungen treiben, müsste sich ein entschiedener Gegenaktivismus formieren. Ich sehe leider nicht, wo die Graswurzel-Aktivisten herkommen sollten, die seriös auftreten und sich die Zeit nehmen, um etwa stundenlang liebevoll mit einer überforderten Mutter zu telefonieren und ihr einen alternativen Umgang vorschlagen. Es gibt zwar Zusammenschlüsse wie „Transteens Sorge Berechtigt ” oder „Eltern von Kindern mit ROGD ”, aber die richten sich eher an Eltern von eigenständigen Jugendlichen, die aus anderen Gründen transgendern. Wenn jemand wie damals Frau Vöckler im Internet sucht, findet sie ihren Sohn in deren Beschreibungen nicht wieder. Eltern ähnlicher Kinder wie Luis, die nicht komplett ideologisch verloren sind, können das selbst lösen, sie brauchen nicht die Unterstützung anderer Eltern. Die Motivation, aktiv zu werden, ist entsprechend gering. Christlich-konservative Gruppen wie die „Demo für alle ” oder Homosexuellengruppen wie „Lesbians United ” in den USA schleppen meist zusätzlichen ideologischen Ballast mit sich herum, der auf Menschen außerhalb ihrer Milieus abschreckend wirkt. Ob sie trotzdem die Lücke füllen können?
Luis ist zu wünschen, dass er die mentale Stärke entwickelt, sich notfalls selbst die Ergebnisse der medizinischen Experimente, die ihm drohen, schönzureden, und so ein erfülltes Leben führen kann. Mit den professionellen Helfern, die ihn begleiteten, wird das Schicksal hoffentlich weniger gnädig sein. Auch Lobotomie war mal in Mode. Selbst mächtige Familien wie die Kennedys ließen an ihren Kindern derartige Operationen durchführen. Wenige Jahre später galt die Praxis als grausam und man fragte sich, wie man das zulassen konnte. Die Verklärung sexuellen Missbrauchs schaffte es in linke Parteiprogramme und honorige Professoren unterstützen es. Nur kurze Zeit später landeten sie im Gefängnis oder redeten sich um Kopf und Kragen. Als Gegenextrem wurde massenhafter satanischer ritueller Missbrauch „aufgedeckt”, begleitet wurde das von Psychotrends wie multiplen Persönlichkeiten und „wiedergewonnenen” Erinnerungen. Schon bald wurden Psychologen, die allzu absurde „Erinnerungen” implantierten, juristisch zur Rechenschaft gezogen. Man sieht, solche Trends sind oft nicht von langer Dauer. Da einige der im Buch genannten Helfer wie etwa Judith Lichtenberg noch nicht allzu alt zu sein scheinen, besteht die Hoffnung, dass ihre Rolle bei der chemischen Kastration häufig psychisch-kranker, effeminierter Jungen und burschikoser Mädchen noch zu ihren Lebzeiten von einflussreicheren Kreisen aufgegriffen wird, sodass sie sich juristisch und moralisch vor einer breiteren Öffentlichkeit dafür verantworten müssen. „Blau mit ganz viel Glitzer” könnte dann einen Beitrag zur medialen Aufarbeitung des Skandals leisten. Auch dafür gebührt Maria Vöckler und Sara Schurmann unser Dank.
Im Buch werden durchgehend Pseudonyme verwendet, Maria Vöckler tritt unter ihrem Geburtsnamen auf. ↩︎
Sara Schumann ist Redakteurin bei der NRZ. Es handelt sich bei ihr nicht um die deutlich bekanntere Klimaaktivistin gleichen Namens , die ebenfalls Journalistin ist. ↩︎
Im Buch wird das nicht erwähnt, dafür in der später diskutierten Dokumentation über Luis. Im Verlauf der gesamten Darstellung werde ich Informationen aus anderen Quellen einfließen lassen, nicht nur aus dem Buch selbst. ↩︎
Siehe http://www.transgender-info.de/t182f50-Kinder-und-Jugendtherapeuten.html oder http://www.transmann-info.com/Adressen/Kinder-und-Jugendtherapeuten/ ↩︎
Aber das sind natürlich nur die Erinnerungen von Frau Vöckler, aufgeschrieben Jahre später. ↩︎
Bei dem „Hormonzentrum” dürfte es sich um die Kinder-Endokrinologie von Prof. Dr. med. Annette Richter-Unruh handeln. Prof. Richter-Unruh hat eine Stiftungsprofessur in Bochum inne, die passenderweise von der „Ferring Arzneimittel GmbH” gefördert wird -- einem Hersteller von Pubertätsblockern. ↩︎
Dieses Detail hat es nicht mehr ins Buch geschafft, wird aber in einem Interview , das sie zu dessen Veröffentlichung führte, erwähnt. ↩︎
Siehe etwa https://doi.org/10.3389/fnhum.2017.00528 , https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2016.10.016 , https://doi.org/10.1136/archdischild-2018-315881 ↩︎
Eine detailliertere Übersicht der Folgen findet man auf den Seiten Gender Health Query . ↩︎