Von „TERFs” und Trans-Feministen

Das Projekt der Transgender-Aktivisten besteht darin, [...] die radikalfeministische Theorie, die auf die Abschaffung der Geschlechtsrollenstereotypen abzielt, die jetzt Gender genannt wird, durch eine Version des „Feminismus” zu ersetzen, die mit ihren Interessen besser vereinbar ist. (Sheila Jeffreys)

Die feministische Bewegung ist, wie im Einleitungs-Beitrag erwähnt, gespalten in ihrer Haltung gegenüber Transpersonen. Feministen der älteren Generation waren ursprünglich eher ablehnend gegenüber ihnen eingestellt -- und sind es noch heute. Jüngere Feministen stehen ihnen positiver gegenüber; eine Einschätzung, zu der auch Antje Schrupp kommt . Die Bücher „The Transsexual Empire: The Making of the She-Male „(1979) von Janice Raymond und „Gender Hurts: A Feminist Analysis of the Politics of Transgenderism ” (2014) von Sheila Jeffreys sind wohl die zentralen Schlüsseltexte der „TERFs” („trans-exclusionary radical feminists”).

Radikalfeministen, Trans-Feministen und Trans-Inklusive unterscheiden sich zwar auch in ihrer Einschätzung der Persönlichkeit von Transsexuellen, aber primär entscheidend sind ihre unterschiedlichen Feminismus-Konzepte. Im Mittelpunkt der Debatte steht der Begriff gender.

Gender

Der Begriff gender wurde erst nach dem 2. Weltkrieg im modernen Sinne populär -- davor sprach man einfach von „Geschlechter-Rollen” oder dergleichen. Sexologen führten ihn bei der Diskussion ein, in welche Kategorie, „Männlein” oder „Weiblein”, man Intersex-Kinder am besten packen sollte; anschließend wurden die Intersexuellen entsprechend operiert. Feministen übernahmen den Begriff, interpretierten ihn aber neu. Für sie gab es auf der einen Seite das biologische Geschlecht (sex) -- auf der anderen Seite gender (Rollenerwartungen, Geschlechter-Stereotype). Die Biologie ist objektiver Fakt, gender ein soziales Konstrukt; in einer patriarchalen Gesellschaft natürlich konstruiert von Männern, um Frauen aus Basis ihres Geschlechts (sex) zu unterdrücken. „Männlichkeit” ist das Verhalten der männlichen Herrschaft-Klasse, „Weiblichkeit” das Verhalten der unterjochten Frauen. In einer feministischen, egalitären Gesellschaft ist kein Platz für gender. Gender ist abgeschafft, alle geschlechterbedingten Rollenerwartungen und unterdrückenden Stereotypen sind verschwunden.

In der Transgender-Ideologie wird der Begriff anders gedeutet. Die Unterscheidung zwischen sex und gender wird beibehalten. Und gender drückt sich weiter in einem Gruppen-Zugehörigkeitsgefühl aus („ich bin eine Frau”, die „Gender-Identität”), in bestimmten Verhaltensweisen, Kleidungen, etc. Aber gender hat jetzt eine zusätzliche biologische oder metaphysische Verankerung bekommen. Viele Trans-Aktivisten greifen explizit zu „biologistischen” Erklärungen und verorten irgendwo im Gehirn ein Zentrum für „Gender-Identität”. Meist stimmen Gender und Sex überein, aber gelegentlich kommt es vor, dass sie auseinanderfallen -- etwa bei Transfrauen. Die haben dann ein weibliches Gender-Identitäts-Zentrum im Gehirn. Man musste es so hinbiegen, dass auch Männer, die zu Frauen transgendern, echte Frauen seien können. Wer das Gegenteil behauptet, ist „cis-sexistisch”.

Für den alten Feminismus ist gender etwas, dass in einer feministischen Revolution zerstört werden muss, im Trans-Feminismus ist gender etwas Positives; eine Identität, die man in sich entdeckt und die „empowert” werden muss. Alte Feministen verabscheuen aufgezwungene Geschlechter-Rollen, Transsexuelle unterwerfen sich freiwillig den absurdesten Klischees: High-Heels, öffentliches Stricken , usw. (Den Trans-Feministen ist das natürlich auch aufgefallen. Deshalb haben sie tausend andere Geschlechter eingeführt, damit auch für Butch-Lesben, Drag-Queens, Queers und all die anderen etwas dabei ist. Es nur für Männer, die Frauen spielen wollen, attraktiv zu machen, ist nicht inklusiv genug. Hat man sich erst einmal auf eine Idiotie eingelassen, zieht das tausend andere Idiotien nach sich, wenn man konsistent bleiben will.

Als jemand, der sich keinem der beiden Lager zurechnet, scheint mir die Position Jeffreys an einer Stelle einleuchtender. Trotz ihres Bekenntnisses zum Sozialkonstruktivismus, dreht sie anders als die Trans-Feministen nicht vollkommen durch. Das biologische Geschlecht ist objektiv -- und damit auch gewisse genuin-weibliche Erfahrungen wie Menstruation oder potentielle Schwangerschaft. Das biologische Geschlecht als Ausgangspunkt des Feminismus zu erhalten, erscheint mir auch sinnvoll. Die Ausbeutung von Frauen basierte entweder auf ihrem biologischen Geschlecht oder es wird für mich schon fragwürdig, was daran ein genuin feministisches Anliegen seien sollte. Gender-Identitäten sind eine Kopfgeburt unterbeschäftigter, weißer Mittelschichts-Sprösslinge (oder eben von Transen), mit herzlich wenig Bezug zur Realität: Wen interessiert es denn, was für eine Gender-Identität eine Zwangsprostituierte hat: Butch-Lesbe? Cis-Frau? Pre-Op-Trans? Ausschlaggebend war, dass sie einen geilen Arsch hat. Wird eine Frau zwangsverheiratet, geht es darüber hinaus um ihre Gebärfähigkeit -- wieder nicht um ihre Gender-Identität. Und das Recht auf Abtreibung haben sie auch für biologische Frauen erkämpft -- nicht für Transfrauen.

Anderseits wurde mir nicht ganz klar, was sich Jeffreys unter der Abschaffung von gender vorstellt. Wenn man es allzu wörtlich nimmt, wird es lächerlich. Männer und Frauen sind im Schnitt unterschiedlich, daher wird man ihnen auch unterschiedliche Rollen zuweisen. Man kann diese neu aushandeln, dem Stand der technischen Entwicklung anpassen oder neue Spielräume eröffnen -- aber nicht gänzlich abschaffen. Eine Arbeitsteilung ist schon allein aus ökonomischen Gründen nötig.

Männer, die zu Frauen transgendern, haben laut Jeffreys jedenfalls nichts in der feministischen Bewegung zu suchen:

Die Vorstellungen von Männern darüber, was Frauen sind, sind aus ihrer Position als herrschende Kaste entstanden und haben den Frauen Eigenschaften zugewiesen, die ihren Herren am meisten nützen und die Herrschaft der Männer über sie rechtfertigen würden. Sie entsprechen nicht der \„Wahrheit\”, wurden aber mit Unterstützung der Wissenschaft und patriarchalischer Ansichten über die Biologie so dargestellt, als ob sie es wären. Es ist daher bemerkenswert, dass die Ansichten der Männer darüber, was Frauen sind, in Form der Transgender-Ideologie in irgendeinem Zweig der feministischen Theorie überhaupt Fuß gefasst haben. [...] Die Männer, die das Frausein für sich beanspruchen, haben keine Erfahrung mit dem Frausein und sollten daher nicht das Recht haben, als 'Frauen' zu sprechen. In der Tat sind diese Männer oft sehr konservativ und hypermaskulin.

Ähnlich Raymond:

Wir wissen, dass wir Frauen sind, die mit weiblichen Chromosomen und einer weiblichen Anatomie geboren wurden, und dass wir unabhängig davon, ob wir als so genannte normale Frauen sozialisiert wurden oder nicht, vom Patriarchat wie Frauen behandelt wurden und werden. Transsexuelle haben nicht dieselbe Geschichte hinter sich. Kein Mann kann die Geschichte haben, als Frau geboren und in dieser Kultur verortet zu sein. Er kann die Geschichte haben, eine Frau sein zu wollen und sich wie eine Frau zu verhalten, aber diese Geschlechtserfahrung ist die eines Transsexuellen, nicht die einer Frau. Eine Operation kann Merkmale äußerer und innerer weiblicher Organe imitieren, aber nicht die Geschichte, in dieser Gesellschaft als Frau geboren zu sein.

An einer Stelle diskutiert Jeffreys gar einen Vergleich mit blackfacing:

Morgan drückte es so aus: \„Wir wissen, was passiert, wenn Weiße Blackface tragen; das Gleiche passiert, wenn Männer Drag tragen\” (Morgan, 1978 : 180).

Morgan sagt, dass die Transvestiten, wie sie sie nannte, Männer sind, die bewusst die Geschlechterrollen betonen und die Unterdrückung und das Leiden der Frauen parodieren, und lehnt ihren \„Entryism\” entschieden ab

In der Transgender-Ideologie wird biologische Realität durch eine Gender-Identität ersetzt, die letztlich nichts weiter ist als eine männliche Fantasie über Frauen:

Die Transgender-Ideologie ist voll von solchen Umkehrungen, bei denen die materielle Realität des biologischen und existentiellen Frauseins von Männern vereinnahmt wird, die davon fantasieren, Frauen zu sein.

Der transsexuelle Zugriff auf Schutzräume für Frauen

Ein zentraler Wunsch vieler Transsexuellen ist der Zugriff auf Räume von Frauen: Umkleidekabinen, Duschen, Toiletten, Gefängnisse, usw. Wir haben oben gesehen, dass Autogynophilen die Vorstellung, hier Dinge als Frau mit anderen Frauen zu tun, einen Thrill verschafft. Die Räume waren aber als Schutzräume für Frauen gedacht. Als Frauen von ausschließlicher Tätigkeit um das Haus herum in das professionellere Berufsleben strömten, gab es noch keine getrennten Toiletten. Die Schutzräume mussten sich die Frauen erst mühsam erkämpfen. Wo es heute um sanitäre Einrichtungen schlecht steht, etwa Indien, kämpfen die Frauen noch immer um von Männern getrennte, saubere Toiletten. Während der aktuellen Flüchtlingskrise setzen sich deutsche Frauenverbände ebenfalls dafür ein, dass es extra Waschräume für weibliche „Flüchtlinge” gibt, was während dem Chaos nicht immer der Fall war.

Aber Transfrauen sind keine Frauen, es sind Männer. Ihre Kriminalitätsrate -- Art und Häufigkeit der Verbrechen -- gleicht eher der von Männern als von Frauen. Und sie sind statistisch gesehen noch perverser als andere Männer. Paraphilien treten in Cluster auf. Die meisten autogynophilen Transen sind zwar keine Sadisten -- aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Autogynophiler auch ein Sadist ist, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufälliger ausgewählter Nicht-Autogynophiler ein Sadist ist.

Darüber hinaus ist Transgender ja ein Gummi-Begriff. Trans-Aktivisten wie Tom „Julia” Serano sind explizit darin, dass die Räume nicht nur für voll-operierte Transfrauen zugänglich sein sollten. Eine Unterscheidung zwischen Prä- und Post-Operation wäre „klassistisch”, da viele sich die nötigen Operationen finanziell nicht leisten können. Zudem wäre es „objektifizierend”, da es die Transpersonen auf die medizinischen Operationen reduziert, die an ihren Körper vorgenommen wurden. Letztlich hätte wohl jeder Zugriff auf weibliche Schutzräume -- denn wie will man eine Geschlechtsidentität nachweisen?

Jeffreys verweist hier auf die vielen pornografischen Aufnahmen, die im Internet kursieren, bei denen Frauen heimlich in Duschräumen und Toiletten gefilmt wurden. Die allgegenwärtigen Smartphones machen es einfach. Fälle, bei denen sich Frauen in Männertoiletten eingeschlichen haben und heimlich filmten, sind dagegen weitgehend unbekannt. Für Jeffreys kann es daher nur eine Lösung geben: Das biologische Geschlecht allein soll darüber entscheiden, wer weibliche Schutzräume betreten darf, ansonsten leistet man dem Missbrauch und der Verletzung weiblicher Intimsphäre nur Vorschub. Der Begriff der „Gender-Identität” hat in Gesetzen nichts zu suchen.

Bewertung

Ich war positiv überrascht von Jeffreys' „Gender Hurts”. Sie ist ja als englische Version von Andreas Dworkin verschrien: „sex-negativ”, lesbisch, radikal-feministisch. Aber muss man ihr eines lassen: Sie schreibt klar strukturiert, der Gedankengang ist sauber ausgearbeitet, überall, wo es nötig ist, bringt sie Literaturverweise und sie bemüht sich um eine verständliche Sprache -- kein Judith-Butler-Kauderwelsch. Man kann etwas von dem Buch mitnehmen, selbst wenn man ihre politische Grundeinstellung nicht teilt. Ich werde an anderer Stelle noch einmal auf Teile des Buches eingehen.
Bezüglich der Transsexuellen diskutiert sie IHMO überzeugender als die trans-inklusiven Feministen -- und erst recht der Trans-Feministen. Das liegt aber allein daran, dass sie sich nicht der völligen Realitätsverleugnung hingibt und postmoderne Methodik zurückweist. Die Trans-Inklusiven schreiben meist nur politisch korrekten Unsinn, um die Gefühle der Transen nicht zu verletzen, was dann zu einer schwachen Argumentation führt. Wenn es um praktische Lösungen geht, würde ich vielleicht eher den Vorschlägen der Trans-Inklusiven zustimmen. Man muss irgendwie pragmatisch die Interessen der Transfrauen mit denen der Frauen abwägen -- etwa bei Fragen der Toilettennutzung oder Duschräumen. Aber Jeffreys und ihren Gegnern geht es nicht um eine pragmatische Interessensabwägung; sie wollen ihre ideologische Grundposition durchdrücken und innerhalb der feministischen Szene an Einfluss gewinnen. Das Trans-Thema ist nur eines von vielen Themen, an dem sich dieser Konflikt zeigt.

PS: „TERF” wird von den meisten Feministen, die so beschrieben werden, als Beleidigung aufgefasst. Es ist eine Fremdzuschreibung von Trans-Aktivisten. Aber es scheint keinen alternativen Begriff zu geben, der allgemein bekannt ist und den sie nicht als Beleidigung auffassen. Daher habe ich ihn hier trotzdem benutzt.